Autor Thema: cis oder des notieren, bzw. warum ...  (Gelesen 16167 mal)

stargazer

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cis oder des notieren, bzw. warum ...
« am: Samstag, 23. Januar 2010, 07:28 »
Hallo,

wann und warum notiert man ein cis und wann ein des?
Gleiche Frage gilt natürlich auch für andere enharmonische Verwechslungen.

Im abgebildeten Beispiel wird zuerst ein cis notiert; einige Takte später ein des - welche Gründe gibt es dafür; bzw. unter welchen Umständen setzt man cis und wann des?

Ich habe mal in der Capella-Demo die Noten mit dem Mausklavier gesetzt - Capella "entscheidet" sich in beiden Fällen für cis - in Lilypond hat natürlich der Notensetzer die volle Freiheit.

Viele Grüße
Dieter


trulli

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Re:cis oder des notieren, bzw. warum ...
« Antwort #1 am: Samstag, 23. Januar 2010, 10:51 »
Hallo Dieter,

cis oder des ist ein Unterschied. Diese Töne werden immer innerhalb der vorgegebenen Tonart bewertet und müssen zu ihr passen. Dein Beispiel steht in D-Moll (vermute ich jetzt einfach mal, aufgrund deiner geposteten Takte). Erstmal ist ein cis dort ein fremder Ton, weil es in D-Moll nicht vorkommt. Verändere ich aber die Tonleiter zu D-Moll harmonisch, dann wird der 7. Tonleiterton erhöht, d.h. das c wird zu einem cis. Damit ist cis jetzt ein leitereigener Ton in D-Moll harmonisch und wird als cis geschrieben.
So gesehen hat dein capella das Naheliegendste interpretiert: es ist gut möglich, dass in D-Moll ein cis vorkommt.

Ein des allerdings kommt erst in Tonarten vor, die recht weit von D-Moll entfernt liegen. As-Dur (oder F-Moll) wären da die ersten möglichen Tonarten. Um also ein des zu schreiben, muss sich die harmonische Struktur in der Nähe dieser entfernteren Tonarten bewegen. Das wäre z.B. bei einer Modulation nach As-Dur der Fall. Danach sieht es in dem Beispiel aber nicht aus.

In moderner Musik kommt oft die Varianttonart in einem Stück vor. In F-Dur wäre das die Tonart F-Moll. Vielleicht springt in deinem Stück der Komponist zwischen diesen Tonarten hin und her, dann muss auch ein des geschrieben werden. Übrigens machen Notenverlage bei dieser komplizierten Materie auch immer wieder mal einen Fehler und schreiben statt des ein cis...

Wenn du es bei deiner Stelle genau wissen willst, müsstest du uns mal den ganzen Satz posten. Dann können wir uns hier über cis und des die Köpfe heiß reden. Das schöne an der Harmonielehre ist nämlich, dass es oft mehrere Deutungsmöglichkeiten gibt  ;D

Grüße von Matthias


« Letzte Änderung: Samstag, 23. Januar 2010, 10:52 von trulli »

stargazer

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Re:cis oder des notieren, bzw. warum ...
« Antwort #2 am: Samstag, 23. Januar 2010, 16:00 »
Hallo Matthias,

hab das Stück mal angehängt - betrifft Takt 15 und Takt 21.

Klar "cis" ist nicht unbedingt gleich "des". Bei einem temperiert gestimmten Instrument sind jedoch "cis" und "des" (und alle anderen enharmonischen) gleich.

Noten sind "Spielanweisungen" - nur ein Teil der Instrumente wären in der Lage in einem Stück alternativ "cis" oder "des" zu spielen, da sie nur in einer Stimmung gestimmt sein können. Unterschiedliche Notierungen wären für diese Instrumente Unsinn, da die Spieler nicht differenzieren können.

Der vorliegende Notensatz ist ein Blechbläsersatz. Blechbläser könnten natürlich ein "cis" oder ein "des" höher oder tiefer blasen - dürfte aber eher Theorie bleiben.

Ich bin jedenfalls gespannt, ob die im Anhang zitierte Notierung Sinn macht, oder ob es ein Fehler ist.


Macht es Capella richtig, wenn es bei der Noteneingabe über das "Mausklavier" grundsätzlich nur "cis" notiert? Mögliche Begründung:

Klavier => temperierte Stimmung => "cis" = "des" => also braucht man nicht zwischen "cis" und "des" unterscheiden

Viele Grüße
Dieter

fugenkomponist

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Re:cis oder des notieren, bzw. warum ...
« Antwort #3 am: Samstag, 23. Januar 2010, 16:21 »
Hallo,

im Takt 15 (erstes Bsp.) passt das cis eigentlich nicht zur Harmonie g-Moll, hier wird das cis als Teil der harmonischen d-Moll-Tonleiter verwendet. Außerdem wird dadurch, dass nicht d - des - f geschrieben wird, deutlich, dass es wirklich einen Schritt nach unten geht. Ebenso gehts in dem zweiten Beispiel von des nach c runter, auch hier gehört das des nicht zur eigentlichen Harmonie (F-Dur, aufs letzte Viertel entweder plus Quarte oder man sieht es als b-moll (erfordert zwingend des) plus Sekunde).

Ein weiteres Beispiel ist die Verwendung von dis und es: Das dis in der zweiten Stimme in Takt 11 steht in einer Umgebung in e (kein richtiges Moll, weil da unten f statt fis steht), das es in der vierten Stimme in Takt 38 gehört zum F-Dur-Septakkord.

Viele Grüße
Malte

trulli

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Re:cis oder des notieren, bzw. warum ...
« Antwort #4 am: Samstag, 23. Januar 2010, 22:09 »
Hallo Dieter,

am besten finde ich am Schluss den jagdhornartigen Abschluss ^^

Das erste Beispiel (T15) sehe ich wie Fugenkomponist: das cis gehört zur harmonischen D-Moll-Tonleiter und führt im harmonischen Zusammenhang von G-Moll nach D-Moll. Vor dem D-Moll kommt als Leitton das cis und führt zwingend in die Auflösung zum D-Moll. Da diese Tonleiter ein cis enthält (eben die 7. erhöhte Stufe) dürfte dort auf keinen Fall ein des stehen.

Das zweite Beispiel (T21) ist ein einfacher Quart-Sext-Vorhalt, der nach F-Dur führt. Es ist ein F46 (Quart-Sext), der die Töne f-b-des hat. Das des liegt im Bass und kann kein cis sein, weil die Sexte von F der Ton des ist. So ein Vorhalt erzeugt wieder eine zwingende Auflösung: die Sexte wird in der Quinte und die Quarte in der Terz aufgelöst und somit sind wir wieder bei f-a-c, dem F-Dur Dreiklang.

In der temperierten Stimmung zu sein bedeutet, dass cis und des DIE GLEICHE TASTE auf dem Klavier sind. Das bedeutet aber NICHT, dass man sie beliebig vertauschen darf! In den früheren reinen Stimmungen hatten cis und des unterschiedliche Tonhöhen. Eben je nach gespielter Tonart und so werden heute auch noch die unterschiedlichen Töne aufgeschrieben. Einges dazu kannst du hier lesen.

Auch wenn dein Notensatz mit den vielen Versetzungszeichen an manchen Stellen recht wüst aussieht: alle Zeichen sind richtig gesetzt, denn sie entsprechen dem harmonischen Zusammenhang. Komponist und/oder Setzer wussten genau, was sie tun. Also ein gutes Beispiel.

Konntest du damit jetzt was anfangen?

Grüße von Matthias

P.S.: Gib mal bei Capella die Tonart Es-Dur ein und spiele auf dem Mausklavier ein cis. Ich schätze mal, dass Capella dann ein des setzt.
« Letzte Änderung: Samstag, 23. Januar 2010, 22:12 von trulli »

RobUr

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Re:cis oder des notieren, bzw. warum ...
« Antwort #5 am: Sonntag, 24. Januar 2010, 01:55 »
Zitat
Macht es Capella richtig, wenn es bei der Noteneingabe über das "Mausklavier" grundsätzlich nur "cis" notiert?
Nein. Capella ist nicht in der Lage, das beurteilen zu können.

Zitat
im Takt 15 (erstes Bsp.) passt das cis eigentlich nicht zur Harmonie g-Moll, hier wird das cis als Teil der harmonischen d-Moll-Tonleiter verwendet.
Es passt sogar wunderbar, weil es sich um einen verkürzten (Klammer-)Dominantseptnonakkord mit Quartvorhalt handelt, in diesem Fall also A-Dur (nicht g-Moll) mit k7 (g) und k9 (b) ohne Grundton (a) über Orgelpunkt (d), wobei das "d" in der 4. und 5. Stimme der Quartvorhalt ist. Der Dominantseptnonakkord löst sich dann folgerichtig nach d-Moll (Tonikaparallele) auf. Man darf das cis ruhig als Leitton betrachten, wenn die Melodiestimme zum d weitergeführt würde (stattdessen geht es in die Mollterz, aber das ist auch kein Trugschluss, sondern harmonieeigen).

Zitat
Das schöne an der Harmonielehre ist nämlich, dass es oft mehrere Deutungsmöglichkeiten gibt
Siehste :)

Etwas anspruchsvoller ist die zweite Stelle: In T.19 befinden wir uns zunächst noch ganz normal in F-Dur (Tonika), bleiben über dem Orgelpunkt F über B-Dur mit großer Sexte (Subdominante, sixte ajoutée) und C-Dur-Septakkord plus großer Sekunde (Dominante) in F-Dur (T.20,1). Dann wird mit dem g unüberhörbar die Quinte für C-Dur (T.20,4) eingeführt (Terzbass), was uns wiederum nach F-Dur (sic!) leitet (T.21,1), und zwar überraschenderweise in Form eines verkürzten Septakkords (Grundton f fehlt mal wieder -> Stilmittel des Komponisten, stattdessen Septime es im Bass) mit Sekundvorhalt (g in der Oberstimme). Dieser verkürzte F7 wird für den weiteren Verlauf zur neuen Subdominante C7 umgedeutet – und siehe: mit T.21,2 haben wir den D-Dur-Septnonakkord als Zwischendominante (zwar fehlt das c, dafür haben wir den Dezimvorhalt f in die kleine None es), und landen dadurch in g-Moll, der neuen Tonika (oder auch Subdominantparallele, wenn wir in F-Dur bleiben wollten). Jetzt kommt der spannende Takt 22, in dem es ja um das des/cis geht: der Akkord auf T.22,1 ist immer noch g-Moll mit Terzbass. Den darauffolgende Akkord (T.22,2) kann man als d-Moll mit großer Sexte im Bass betrachten (das passt noch gut in die g-Moll Kadenz), wobei das h irritiert und einen Durchgang vortäuscht, der nach C-Dur aufgelöst würde. (Einschub: in diesem Fall wäre es nicht d-Moll, sondern ein G7 mit großer Dezime None.) Aber was passiert auf einmal? Der Komponist entscheidet sich doch lieber für b-Moll (T.22,3), angereichert mit Sekundvorhalt c in der Melodiestimme und großer Septime a als Leitton! Ich muss widersprechen, dass es sich hierbei um einen lapidaren Quartsextvorhalt nach F-Dur handelt, da dies funktional auf der Stelle tritt. Einerseits ist die "3" schwerer als die "4" (deswegen immer Hauptzeiten in Verbindung mit Nebenzeiten und was das Gehör wahrnimmt betrachten), andererseits sind wir fein raus und kommen über b-Moll als Subdominantvariation prima zurück nach F-Dur in T.23. In T.24 bekommen wir’s noch klipp und klar mit einem ausgedehnten C-Dur Septakkord – gewürzt mit klassischem Quartvorhalt – um die Ohren gehauen, dass man nach F-Dur zurückgefunden hat ;)

Ach so: wegen b-Moll in T.22,3–4 darf es kein cis, sondern muss zwingend des sein; deswegen gibt’s ja den Thread.

Zitat
Blechbläser könnten natürlich ein "cis" oder ein "des" höher oder tiefer blasen - dürfte aber eher Theorie bleiben.
Und Choristen/Sänger/Holzbläser/Streicher könnten es auch nur theoretisch? Man musiziert doch mit den Ohren …

Zitat
Noten sind "Spielanweisungen" - nur ein Teil der Instrumente wären in der Lage in einem Stück alternativ "cis" oder "des" zu spielen, da sie nur in einer Stimmung gestimmt sein können. Unterschiedliche Notierungen wären für diese Instrumente Unsinn, da die Spieler nicht differenzieren können.
Nein, gar kein Unsinn. Wozu haben wir dann Tonarten? Es macht eben einen Riesenunterschied, ob ein Kreuz oder ein B vor der Note steht. Gerade für Instrumente, die mehr als ein, zwei Töne gleichzeitig spielen können, ist es essentiell von Bedeutung, die Harmonie auf einen Blick erfassen zu können. Zum Beispiel liest ein(e) Pianist(in) oder Gitarrist(in) oder Harfenist(in) nicht linear b-d-f-d-b-d-f-d-b-d-f-d, sondern erkennt B-Dur und in welcher Lage oder welcher Stellung – egal, ob arpeggiert oder nicht. Insbesondere Harfen müssen ganz schnell erkennen, um welche Akkorde es sich handelt, um die Pedale entsprechend treten zu können. Bei den anderen zuckt’s in der Hand, und die passende Fingerstellung wird abgerufen. Nimm z.B. ein fettes Rachmaninow-Prelude: wenn dort mit den Vorzeichen rumgewurschtelt würde, wäre kein Akkord mehr erfassbar, und kein Finger wüsste, wo er eigentlich hin soll.

So – genug Funktionsanalyse für heute. Grüße, Robert
« Letzte Änderung: Montag, 25. Januar 2010, 03:46 von RobUr »

Matti

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Re:cis oder des notieren, bzw. warum ...
« Antwort #6 am: Sonntag, 24. Januar 2010, 07:32 »
Guten Morgen!

Mag mich Roberts Analyse in Prinzip anschließen.

Wenn ich den Halbverminderten in T.22,2 im Zusammenhang höre, bin ich zwar eher geneigt, ihn erstmal als einen verkürzten G7 mit großer 9 [[nicht Dezime]] aufzufassen, und würd' ich auf Zählzeit 3 unter das besagte „des“ wohl erst nochmal G79 vermerken wollen (mit verminderter 5 im Baß, Quart statt Terz), weil ich persönlich den nachwirkenden G-Dur-Eindruck als stärker empfinde als ein (immerhin erstmal nur verkürzt kommendes b-moll...) aber das ändert nix am Ton „des“. Also würd' ich auch erstmal vorsichtig sagen: nicht „cis“, sondern „des“.

Finde es allerdings immer spannend, wie man solche Stellen von vorn oder von hinten betrachten kann, besonders, wenn der Komponist mit Erwartungen spielt.

Und von daher betrachtet: Wenn der Autor ein „cis“ statt „des“ selbst notiert hätte, wär das kein Fehler seinerseits gewesen. Dann hätte er sich kurz vorm Taktstrich vielleicht A-Dur vorgestellt (auf der Terz mit 6 statt 5 und wiederum mit einer hübschen wie hartnäckigen kleinen Dezime über der kleinen None), und dann könnte d-moll folgen. Stattdessen geht der Baß einen chromatischen Schritt von „cis“ zu „c“ abwärts, d.h. als Überraschung folgt F-Dur.

Insofern halte ich diese Stelle für kein Paradebeispiel für eindeutige Schreibfragen. Angenommen, der Satz kam so, wie er im PDF steht, aus irgendeinem Programm, das willkürlich Umdeutungen vornimmt, dann würd ich nicht meine Hand für ein des ins Feuer legen wollen.

Aber mal was anderes: Ich hab viel mit Chorsägern zu tun, aber wenig mit Instrumentalisten. Vielleicht naive Frage: Blechbläser VI kriegen in Takt 31 ein Auflösungszeichen. Würd ich meinen Sängern auch geben. In Takt 8 bekommt Blechbläser II keins (vorm „c“), und in Takt 29 bekommt Blechbläser III keins vorm „e“. Gibt's da eine geheime Systematik?

Schönen Sonntag!
Andreas




stargazer

  • Member
Re:cis oder des notieren, bzw. warum ...
« Antwort #7 am: Sonntag, 24. Januar 2010, 10:39 »
@Matthias,
@Malte,
@Robert,
@Andreas,

Danke für eure Erklärungen - das grobe Prinzip habe ich nun verstanden.
Ich sehe aber, dass ich als Autodidakt noch große Wissenslücken zur Harmonielehre habe :-[
Ich werde zu diesem Thema noch in Wikipedia abtauchen müssen.

@Andreas,
In Blechbläsernotensätzen werden gerne "unnötige" Auflösungszeichen gesetzt.
Wie unnütz sie sind, entscheidet der Notensetzer nach persönlichem Geschmack.

Takt 31 hat der Notensetzer offensichtlich als "gefährlich" eingestuft, da der neue Ton auf der selben Notenlinie liegt.
An einer anderen Stelle im gleichen Notenheft wurden bei gleicher Situation keine Auflösungszeichen notiert.

Bei deiner Anmerkung zu Takt 8 (Bläser II) komme ich nicht ganz mit. Oder meinst du das nicht vorhandene Auflösungszeichen beim "c" in Takt 9?

Dass Bläser III in Takt 29 kein Auflösungszeichen bekommt, ist gegenüber dem Beispiel in Takt 31 wirklich inkonsequent.

Ich persönlich finde diese "unnötigen" Auflösungszeichen gleichzeitig "unnütz".
Es gibt Beispiele, wo diese "unnötigen" Auflösungszeichen bzgl. ihrer schnellen Erkennbarkeit schlichtweg kontraproduktiv sind (siehe angehängte Beispiele).

Viele Grüße
Dieter

 

trulli

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Re:cis oder des notieren, bzw. warum ...
« Antwort #8 am: Sonntag, 24. Januar 2010, 11:44 »
Gudn Morgn,

so früh schon Theorie?  ;D

@Matti
Du hast Recht, da sind Unregelmäßigkeiten bei den Vorzeichen. Aber nach meiner Meinung nur an einer Stelle. T8 ist korrekt, weil der letzte Ton von Stimme 2 ein cis ist. Im polyphonen Satz gelten Versetzungszeichen nur für eine Stimme und für einen Takt, das cis wurde im selben Takt vorher in beiden Stimmen geschrieben. In T31 St6 braucht eigentlich kein Auflösungszeichen stehen, so wie in T28 St3. Das ist nicht einheitlich. Eine Einklammerung war hier vielleicht vorgesehen und wurde vergessen. Die Stelle mit dem chromatischen Lauf im Bass ab T30 finde ich übrigens Klasse.  :)

@Rob, T15
Zitat
Es passt sogar wunderbar, weil es sich um einen verkürzten (Klammer-)Dominantseptnonakkord mit Quartvorhalt handelt, in diesem Fall also A-Dur (nicht g-Moll) mit k7 (g) und k9 (b) ohne Grundton (a) über Orgelpunkt (d), wobei das "d" in der 4. und 5. Stimme der Quartvorhalt ist. Der Dominantseptnonakkord löst sich dann folgerichtig nach d-Moll (Tonikaparallele) auf. Man darf das cis ruhig als Leitton betrachten, wenn die Melodiestimme zum d weitergeführt würde
Nein Rob, das ist kein A79. Das cis, welches diesen Akkord eindeutig bestimmen würde, kommt doch erst auf dem 2 (unbetonten) Schlag. Spiele die Stelle doch mal mit A-Dur, das geht zwar harmonisch, ist aber nicht die Funktion, die man im Originalsatz hört. Auf der 1 kommen ALLE Töne des G-Moll, also kann es nur G-Moll sein.

T22 (unser Lieblingstakt...)
Ja, das ist kein Quart-Sext-Vorhalt, da hast du Recht. Wenn man es spielt, hört man es. Auch klingt die leere Oktave bei T23,1 seltsam und bringt keine Auflösung. Ein Quart-Sext ist auch schon deshalb falsch, weil der Ton c (also die Quinte) durch die 6 ersetzt werden müsste, aber der Ton c ist auch enthalten.
Im Zusammenhang höre ich in T22: Gm Dm6 F6 Firgendwas ;D

Mein Vorschlag:
T22: Sp Tp6 T6 T611
T23: T
T24: D74-3
T25: T

Wie kommst du in T22,3 auf einen B-Moll? Alle Töne von F sind doch enthalten und das auf einer schweren Zählzeit.

Zitat
Das schöne an der Harmonielehre ist nämlich, dass es oft mehrere Deutungsmöglichkeiten gibt  ;D  ;D  ;D  ;D

Grüße von Matthias

Matti

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Re:cis oder des notieren, bzw. warum ...
« Antwort #9 am: Montag, 25. Januar 2010, 03:24 »
Zitat
Bei deiner Anmerkung zu Takt 8 (Bläser II) komme ich nicht ganz mit. Oder meinst du das nicht vorhandene Auflösungszeichen beim "c" in Takt 9?

@Dieter: Ähm... ja, das meinte ich.  8)

@Matthias: Baßtöne sind wichtiger als Oberstimmen. Zumindest bei der gängigen Funktionstheorie. Klar, da stehen f, a und c. Und der Baß schießt quer. Ist das "F-Dur mit kl. 6 im Baß"? Oder "F-Dur über einem zufälligen Orgelpunkt?" Der Jazzer schreibt vielleicht F/Db oder F/C#. In der klassischen Harmonielehre versucht man eher den Bezug zum Baßton zu suchen. Also: Ja, f, a und c sind zwar drin, aber über einem des (oder cis :-*). Nehmen wir mal des im Baß an, dann steht das a im übermäßigen Intervall zum Baß. Nehmen wir cis an, dann stehen f und c im verminderten Intervall über'm Baß. Das Ding ist, gleich wie man es enharmonisch hinschreibt, ein spannungsreicher Klang. Daß die Oberstimmen alle Töne bringen, die man für einen F-Dur-Dreiklang braucht, macht das f nicht automatisch zum Grundton. Oft geht das zwar, zum Beispiel bei einem F7, der auf der 7 im Baß steht, aber z.B. bei F-Dur-Dreiklang über Baßton b müßte man den Zusammenhang anschauen. Könnte ein B maj add 9 sein. F-Dur klingt dann wohlig in den Oberstimmen mit, wäre im klassischen Sinn aber nicht funktionsgebend. Oder Takt 36 im Beispiellied: Der Baß ist klassisch mit 4 und 6 zu beziffern, aber die Funktion des Klanges ist nicht Tonika sondern Dominante mit Vorhalten, also C46, gleichwohl ein F-Dur-Dreiklang mitklingt.




RobUr

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Re:cis oder des notieren, bzw. warum ...
« Antwort #10 am: Montag, 25. Januar 2010, 03:41 »
Zitat
[T.19] Nein Rob, das ist kein A79. Das cis, welches diesen Akkord eindeutig bestimmen würde, kommt doch erst auf dem 2 (unbetonten) Schlag. Spiele die Stelle doch mal mit A-Dur, das geht zwar harmonisch, ist aber nicht die Funktion, die man im Originalsatz hört. Auf der 1 kommen ALLE Töne des G-Moll, also kann es nur G-Moll sein.
Doch, daran halte ich fest ;) Es ist ein verkürzter verminderter Dominantseptakkord. Ich spiele an dieser Stelle kein reines A-Dur, sondern den verminderten über A-Dur. Die Akkorde stehen ja nicht Viertel um Viertel nebeneinander, sondern werden gerade in den betreffenden Stimmen ausdrücklich gebunden, weswegen ich hier einen Quartvorhalt interpretieren darf (d -> cis), der naturgemäß auf der schweren Zeit steht und sich in die Nebenzeit auflöst; so ist das nunmal mit Vorhalten, ob ausnotiert oder nicht. Nur weil alle g-Moll-eigenen Töne da sind, ist es noch lange nicht g-Moll. Der vermindert-verkürzte ist aus A-Dur abzuleiten – wenn du ein e mitspielst, ist es offensichtlich –, weil er aus g-Moll nicht herleitbar ist.

Ich kann andererseits auch gut damit leben (ohne auf meiner Vorhalt-Interpretation herumzureiten), dass wir eine ganz normale Mollkadenz hernehmen: das wäre (über Orgelpunkt d) d-Moll (T.14,2–3) – g-Moll (T.15,1) – A-Dur5/7-/9- (T.15,2) – d-Moll (T.15,3–4), also [t – s – D5/7-/9- – t].

Ich habe die Stelle einmal leicht anders notiert, was meiner Interpretation entspricht. Wenn man diesen Takt nach deiner Auffassung notierte, müssten im Original die Phrasierungsbögen entfernt und die betroffenen Viertel wenigstens mit Tenutostrichen versehen werden.

Zitat
Auch klingt die leere Oktave bei T23,1 seltsam und bringt keine Auflösung.
So ging es mir schon mit der Oktave in T.20,3! Es ist etwas „brachial“ …

Zitat
Wie kommst du in T22,3 auf einen B-Moll? Alle Töne von F sind doch enthalten und das auf einer schweren Zählzeit.
Wie gesagt: Hauptzeiten in Verbindung mit Nebenzeiten betrachten. Die Musik geht ja weiter und muss im Kontext betrachtet werden. Der Komponist spielt die ganze Zeit mit diesen Vorhalten, man muss sie nur also solche erkennen. Good old Bach zum Beispiel notierte solche Geschichten ähnlich meinem umgeschriebenen Beispiel. Bei Bach steht eben ein „gerader“ Akkord auf der Hauptzeit, allerdings mit einem langen Vorhalt versehen. Da heutzutage meist Unklarheit über die Länge des Vorhalts besteht, notiert man es lieber aus – wie auch in unserem Analyseobjekt. Der Nachteil ist, dass es uns die „Vorhaltfindung/-erkennung“ beim Ausführen oder Analysieren erschwert; Vorteil ist, dass die Tondauer bereits fixiert ist. Viele interessiert es aber schlichtweg überhaupt nicht, ob Vorhalt oder nicht: Hauptsache, man betont und phrasiert es richtig.

Zitat
Mein Vorschlag:
T22: Sp Tp6 T6 T611
T23: T
Genau das wird der Komponist nicht meinen … zu viel Tonika hintereinander. Mit der Funktion auf T.22,2 habe ich ja auch mein Problemchen, aber wenn wir uns in F-Dur bewegen, ist meine Interpretation
T.22: Sp3 – Tp6+5 – s37+/9 → s3sus9
T.23–24: ist pill… ist klar ;)

Zitat
… müsstest du uns mal den ganzen Satz posten. Dann können wir uns hier über cis und des die Köpfe heiß reden.
Du hast angefangen  ;D ;D ;D ;D  Wegen cis oder des sind wir uns ja alle einig ;)

Zitat
Vielleicht naive Frage: Blechbläser VI kriegen in Takt 31 ein Auflösungszeichen. Würd ich meinen Sängern auch geben. In Takt 8 bekommt Blechbläser II keins (vorm „c“), und in Takt 29 bekommt Blechbläser III keins vorm „e“. Gibt's da eine geheime Systematik?
Nö, gar nicht naiv – völlig berechtigt und aufzuklären:
VI-T.31: ist in Ordnung.
II-T.8: Diese Stimme bekommt als erste das cis vorgezeichnet und liest weiter -> kein zusätzliches Vorzeichen nötig.
I-T.8: Diese Stimme hat das cis der zweiten Stimme evtl. noch nicht wahrgenommen und benötigt es deswegen. Außerdem greift Polyphonieregel, wie Matthias schon schrieb.
III-T.29: Das ist Murks und muss angeprangert werden. Zwangsläufig wird das e aufgelöst, aber das fehlende Auflösungszeichen sorgt für unnötige Diskussion, weil es sich mit es nämlich auch ganz nett anhört.

Um einmal die Kurve zu Lily zu kriegen: Das Phänomen in T.8 mit den beiden Stimmen in einer Zeile und den Vorzeichen pro Stimme erledigt Lily nicht automatisch! Man müsste für die Oberstimme das Vorzeichen durch cis! erzwingen.

@Matti: Was du zu T.21 schreibst, ist auch schön formuliert! Ich meinte auch tatsächlich den G7 mit None auf der zweiten Viertel. Und ja: ich hatte ebenfalls zuerst besagten G7/9 im Ohr, der nach C-Dur drängt, uns diesen Gefallen aber nicht tut. Deswegen bin ich funktional zugegebenermaßen selten, aber aufgeschmissen.

Zitat
Ich sehe aber, dass ich als Autodidakt noch große Wissenslücken zur Harmonielehre habe  :-[ Ich werde zu diesem Thema noch in Wikipedia abtauchen müssen.
Ob die Wikipedia allein genügt? Schwierig …

So – ich hätte dann fertig mit diesem Thema ;) Zumindest mit diesem Lied. Allen eine schöne Woche, Robert

EDIT: Dateianhang nachgeliefert.
« Letzte Änderung: Montag, 25. Januar 2010, 03:51 von RobUr »

trulli

  • Member
Re:cis oder des notieren, bzw. warum ...
« Antwort #11 am: Montag, 25. Januar 2010, 11:09 »


Hallo Leute,

danke für die interessante Diskussion! Auch wenn ich die Stellen anders höre und deute als ihr, will ich jetzt nicht weiter meine Version verteidigen. In jedem Falle kann ich eure Meinungen nachvollziehen und verstehen.
Übrigens Rob, wenn du die Stelle SO schreibst, kann ich auch den verkürzten A hören... Und Matti hat natürlich auch Recht, wenn er die Klänge so deutet. Hoffentlich kommt jetzt nicht heraus, dass der Komponist ein Jazzer ist, dann müssen wir vielleicht doch einen F6/Db akzeptieren   ;)

@Dieter
Kannst du uns hier mal den Code schicken, wenn du den Satz mit Lily gesetzt hast? Dann würde ich mir gerne das ganze Stück noch mal in Ruhe als midi anhören.

Es grüßt euch
Matthias

stargazer

  • Member
Re:cis oder des notieren, bzw. warum ...
« Antwort #12 am: Montag, 25. Januar 2010, 18:07 »
@Matthias,

den Komponisten halte ich lieber verdeckt, da ich zu viele Noten aufs PDF gebannt habe  ;)

Meine ursprüngliche Frage war ganz grundsätzlicher Art - das hier gepostete Stück galt nur ein Beispiel - ich habe also nicht vor, das mir vorliegende Stück in Lilypond umzusetzen.....

Außerdem unterscheiden die MIDI-Player nicht zwischen cis und des  ;D

Viele Grüße
Dieter

RobUr

  • Member
Re:cis oder des notieren, bzw. warum ...
« Antwort #13 am: Dienstag, 26. Januar 2010, 00:50 »
Zitat
Außerdem unterscheiden die MIDI-Player nicht zwischen cis und des
Richtig. MIDI ist sogar so „dumm“, dass es Nummern für die Noten braucht  ;D  Es gibt auch nur erhöhte Noten, keine erniedrigten.
Das cis/des' hätte übrigens die Nummer 61 …

Grüße, Robert