Hallo Matti,
aller Anfang ist schwer, aber keiner von uns hatte es leicht mit Lily! Es ist wie beim Fremdsprachelernen: man fängt mit einigen wenigen Vokabeln und einfachen Sätzen an, und mit der Zeit lernt man immer mehr Vokabeln, neue Ausdrücke und komplexere Satzbauten. Es geht eben nicht auf Anhieb (oder von 0 auf 100 in einer Sekunde). Der Lohn für die ganze Mühe ist dafür aber ein ziemlich großer.
Der Einstieg in Lily ist wohl häufig der gleiche: zunächst "Learning Manual" (LM) zu Gemüte führen (darin sind bereits viele weiterführende Links), um einen Überblick über die Möglichkeiten und Ansätze zu bekommen (das erspart viele spätere Standardfragen im Forum à la "Kann man mit Lilypond dies und jenes machen?") und im weiteren die "Notation Reference" (NR) nach detaillierten Funktionsbeschreibungen durchforsten. Hierzu zwei Tipps von mir: (1) die englische Dokumentation verwenden, weil die deutsche Übersetzung viele Abschnitte nicht berücksichtigt; (2) die NR wegen der Durchsuchbarkeit entweder als PDF oder als eine große Seite öffnen.
Zu deinen Beispielen
Beispiel I: \oneVoice und \new Voice sind zwei ganz verschiedene Befehle, und das Leerzeichen ist vonnöten. \oneVoice ist ein Makro (ähnlich \voiceOne, \voiceTwo …), das die automatische Halsrichtung wieder auf neutral und Pausenzeichen vertikal zentriert setzt (vermutlich noch einiges mehr, wie z.B. \markup automatisch über oder unter der Zeile). \new Voice hingegen ist ein "echter" Befehl mit obligatem Argument: "lege neu an" + "was lege neu an". Siehe auch \new Staff/DrumStaff/RhythmicStaff/ChoirStaff/PianoStaff/StaffGroup etc. Logischerweise kann eine Stimme (Voice) nur innerhalb einer Zeile (Staff) notiert werden und nicht umgekehrt; ebenso wenig macht Staff innerhalb Staff Sinn, dafür mehrere Staff (Pl. Staves) innerhalb einer StaffGroup um so mehr.
Beispiel II: Siehe Antwort von kilgore. Hinter \time 3/4 steckt auch \set Score.timeSignatureFraction = #'(3 . 4), allerdings mit einem wesentlichen Unterschied: \time 3/4 definiert (1) die Taktangabe als Bruch 3/4 und (2) die Taktlänge als 3/4, um die Taktstriche korrekt zu platzieren. In Lily ist es damit ohne Probleme möglich, eine beliebige Taktlänge mit einer beliebigen Taktangabe zu versehen. Außerdem beeinflusst es das automatische Balkenverhalten.
Folgender Code setzt das Metrum auf 4/4 (wodurch nach einer Dauer von je vier Vierteln automatisch Taktstriche gesetzt werden) und überschreibt die Taktangabe mit 11/8:
\time 4/4
\set Score.timeSignatureFraction = #'(11 . 8)
Umgekehrt geht auch folgender Code mit dem gleichen Ergebnis (in diesem Fall wird die Taktlänge überschrieben):
\time 11/8
\set Score.measureLength = #(ly:make-moment 4 4)
Zur Syntax muss man wissen, welche Eigenschaft welchen Contexts welche Werte erwartet. Der Aufbau ist immer gleich:
\set [\override] Context.Eigenschaft = Wert
In diesem Fall erwartet timeSignatureFraction ein ganzzahliges Wertepaar, das mit #' eingeleitet und innerhalb der Klammern durch Leerzeichen-Punkt-Leerzeichen getrennt wird. Es gibt auch andere Eigenschaften, die Kommawerte akzeptieren, weswegen die Leerzeichen wieder wichtig sind. #'(3 . 4) ist also ein Wertepaar mit den (ganzzahligen) Werten "3" und "4", #'(3.0 . 4.0) ist ein Wertepaar mit den (Fließkomma-)Werten "3,0" und "4,0", und #'(3.4) ist ein einzelnes Argument mit dem (Fließkomma-)Wert "3,4".
Beispiel III: Es ist nicht vorgesehen und außerdem überflüssig, den rechten Rand anzugeben, da sich dieser aus der Differenz von Papierbreite, linkem Rand und Zeilenlänge errechnet. Es ist ganz einfach, wenn man kurz darüber nachdenkt: Papierbreite minus linker Rand minus Zeilenlänge gleich rechter Rand! Folgender Code (Standardpapierformat A4 vorausgesetzt) genügt, um linken und rechten Rand auf je 2 cm zu setzen:
\paper {
left-margin = 2\cm
\line-width = 17\cm
}
Man muss also nur kurz umdenken: wenn man X cm rechten Rand haben möchte, subtrahiert man den gewünschten Wert zusammen mit dem linken Rand von der Papierbreite und erhält die Zeilenlänge, die man definieren muss. Achtung: die Voreinstellung für den linken Rand beträgt 10 mm! kilgores Beispiel, das nur die Zeilenlänge berücksichtigt, würde einen linken Rand von 1 cm und einen rechten Rand von 3 cm (bei 30 cm Papierbreite) erzeugen. Noch einmal kurz zur Info: das Standard-A4-Format ist 210 mm breit und 297 mm hoch. Alles wichtige zur Seitenformatierung findet sich in der NR Kapitel 4.
Viel Erfolg,
Robert