Hallo Andi,
Es braucht schon viel Wissen um Musiktheorie und Lilypondinterna, um so etwas "Einfaches" hinzubekommen.
Tja, einfach ist es nicht, aber ich muß an dieser Stelle für Lilypond die Lanze brechen: immerhin ist es möglich! (was bei anderen Notensatzprogrammen auch nicht so ohne weiteres gehen dürfte, außer man plaziert irgendwelchen "freien Text" - der sich dann aber auch nicht transponieren läßt).
Ähnliche Schreibweisen gibt es ja wie gesagt auch im Generalbaß, aber dort sind sie üblich und deshalb auch implementiert.
Und "einfach" ist es vom
Endergebnis her schon, aber technisch/theoretisch gesehen, ist es eine ziemlich inkonsequente Sonderlösung einer nationalen Minderheitengruppe.

"Unlogisch" habe ich hier erstens geschrieben, weil ein Quartvorhalt im hier gemeinten Sinne weder Dur noch Moll ist (genau wie ein Powerchord weder Dur noch Moll ist), weil schließlich keine Terz enthalten ist. Ein Hauptproblem hier war der Kleinbuchstabe für "Moll", den es ja auch nur in Deutschland gibt. Außerdem ist die 3 als Zeichen für die Auflösung des Vorhalts etwas unglücklich, weil es ja nach allgemeinen Akkordschreibweise-Konventionen eine "b3" sein müßte - denn es soll ja ein Moll-Akkord herauskommen...
Vielleicht zur Erklärung: beide Konstrukte habe ich häufig im Bereich der Neuen Geistlichen Lieder kennengelernt als "Schrummel"-Begleitung für die Gitarre, oft auch handgeschrieben. Wenn der Akkord kurz mit einem Quartvorhalt beginnt und dann in die Terz aufgelöst wird braucht man nur einen Finger umzusetzen. Da es weniger Schreibarbeit ist und auch übersichtlicher aussieht, wird
die Tonhöhenangabe einfach weggelassen. Dazu muss der sus4-Akkord ggf. natürlich als Moll-Akkord gesetzt werden. Ähnliches Spiel gibt es übrigens mit dem Sept-Akkord, entwerder wie hier die Auflösung zum Grundakkord oder häufiger vom Grundakkord in die Sept, wobei dann nur die 7 ohne Tonhöhenangabe gesetzt wird.
Ah, danke, das würde einiges erklären. Wobei ich die "Neuen Geistlichen Lieder" noch aus dem letzten Jahrtausend kenne - und ich habe immer noch den berühmt-berüchtigten "Anhang 77" als freundliche Dauerleihgabe der evangelischen Landeskirche.

Dort ist aber noch (wenn überhaupt) eine "klassische" Akkordschreibweise zu finden.
Irgendwie beschleicht mich der Verdacht, daß wie früher beim alte Kuhlo mit seinen Posaunenchören eine Schreibweise etabliert werden soll, die außerhalb des begrenzten religiösen Gruppenumfelds niemand praktiziert.

Eine Frage zum Verständnis der Lilypondinterna (darüber bin ich schließlich ja gestolpert): Was genau bedeutet "stencil?
Ein Stencil in Lilypond ist ein "typographisches Objekt", das in einer begrenzenden Box (die bestimmt die Größe/Ausdehnung) zu druckende Elemente enthält. Also z. B. einen Buchstaben, Notenkopf, ein Fähnchen usw. Stencils können wiederum auch andere Stencils enthalten.
Diese Stencils lassen sich aber ändern - das häufiste Beispiel aus Benutzersicht dürfte wohl das "Verschwindenlassen" von Objekten sein.
Wenn man z. B. keine Taktangabe sehen will (z. B. beim Setzen von Lehrbeispielen wie Tonleitern ohne rhythmischen Zusammenhang), ist eine Möglichkeit, einfach den Stencil des betreffenden Objekts auf
##f (false) zu setzen.
Beispiel: Taktangabe weg:
\override TimeSignature #'stencil = ##fIm Gegensatz zum bloßen "Unsichtbarmachen" (
\override TimeSignature #'transparent = ##t) nimmt die Taktangabe dann auch keinen Platz mehr weg.
In Deiner Anwendung hier lassen wir auf diese Weise den Akkordbuchstaben verschwinden bzw. ersetzen ihn durch eine hochgestellte 3. Mit einer 7 wäre das natürlich genauso möglich.

Viele Grüße
Torsten