Autor Thema: StaffGroup und ungleiche Taktarten  (Gelesen 4646 mal)

chf

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StaffGroup und ungleiche Taktarten
« am: Sonntag, 4. Juli 2010, 18:39 »
Liebe Freunde,
habt ihr mich schon vermisst? Spaß beiseite, ich brauche mal wieder ein gutes Rezept.
Aus meinem etwas größeren Schnipsel wird hoffentlich deutlich, worum es geht:
Die Kadenzen der drei Stimmen passen nicht auf jeweils eine Zeile, also habe ich sie geteilt. Wie bringe ich sie aber in ein System, ohne dass die Wiederholungszeichen "verallgemeinert" werden?
Das ist, denke ich, eher ein Fall für euch...
Gruß und Dank
chf

ding-dong

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Re:StaffGroup und ungleiche Taktarten
« Antwort #1 am: Sonntag, 4. Juli 2010, 23:38 »
wahrscheinlich muss dann die musik voll ausgeschrieben werden, oder?
\unfoldRepeats hilft dabei!

RobUr

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Re:StaffGroup und ungleiche Taktarten
« Antwort #2 am: Montag, 5. Juli 2010, 02:43 »
Liebe Freundin,

Zitat von: chf
habt ihr mich schon vermisst?
Aber selbstverständlich ;) *hüstel* Genauer gesagt: eher deine ausgefallenen Partituren – et voilà: wieder eine davon ;D

Zitat von: ding-dong
wahrscheinlich muss dann die musik voll ausgeschrieben werden, oder?
Das wär zu schön, um wahr zu sein :( Nur leider ist es nicht gar so einfach, aber trotzdem machbar.

Wenn ich chfs Anliegen richtig errate, geht es darum, alle drei Kadenzen in einem System zu notieren, wobei die Taktstriche (also auch Wiederholungsstriche) pro Zeile und nicht für das gesamte System gelten sollen (keine „Verallgemeinerung“). Kurz: polymetrische Notation ohne Synchronisation der Taktstriche. Und genau das sind auch die Schlagworte, die uns in der NR zur richtigen Stelle führen: 1.2.3 Displaying rhythms: Polymetric notation – Staves with different time signatures, unequal bar lengths.

Die Vorgehensweise ist dann aber doch einfacher als gedacht: Timing_translator und Default_bar_line_engraver vom Score- in den Staff-Context verschieben (heißt: beide im Score-Context entfernen und dem Staff-Context hinzufügen). Alle anderen Bemühungen, liebe chf, sind prinzipiell gut gedacht, führen aber ohne diese Maßnahme zu keinem brauchbaren Ergebnis (ich weiß, du weißt schon …).
Nun aber kann jede Zeile beliebige Taktarten und -wechsel haben, sodass sich manuelle Wiederholungsstriche mit den übrigen Zeilen nicht mehr beharken.

Die Anzeige der Taktangaben und -wechsel per \time x/y unterdrücken wir durch \override Staff.TimeSignature #'stencil = #'() (richtigen Context ansprechen!) und machen es später wieder rückgängig mit \revert Staff.TimeSignature #'stencil für die Anzeige des 2/4-Takts.

Um den unliebsamen Zwischenzeilenstrichen zu entkommen, die durch gleichzeitig auftretende Taktstriche (gleich welcher Art) produziert würden, nehmen wir statt einer StaffGroup besser einen ChoirStaff.

Als nächstes bekommen wir ein Zeilenumbruchproblem durch die Klarinetten„kadenz“, deren erster Takt 9 halbe Noten lang ist. Einen automatischen Umbruch an der nächstpassenden Stelle (wenn Flöte und Fagott einen gemeinsamen Taktstrich haben) ermöglichen wir durch einen unsichtbaren Taktstrich (\bar "") oder besser noch durch einen gepunkteten (\bar ":") oder einen gestrichelten (\bar "dashed") Taktstrich an zeitgleicher Stelle in der Klarinettenstimme, um den „9/2“-Takt nicht gänzlich zu unterbrechen.

Zu guter Letzt stellen wir fest, dass jede Stimme für sich irgendwann kein Notenmaterial mehr hat und die Zeilen dadurch ausfransen bzw. die Klarinette großzügig eine Extrazeile spendiert bekommt. An diesem Punkt ist unsere Mission aber bereits erfüllt. Nun möge sich der/die Komponist/in Gedanken machen, weitere Bausteine einzufügen, denn eines kann ich jetzt schon prophezeien: Lily lässt sich [bisher] nicht überreden, das Timing innerhalb eines Systems völlig außer Acht zu lassen (also z.B. die Noten der zu kurzen Stimmen bis zum Ende der längsten Stimme zu dehnen/zu verteilen/zu stretchen). Nach wie vor setzt Lily gleichzeitig stattfindende Ereignisse untereinander – und das wird wohl längerfristig so bleiben. Oder schreibt ein talentierter Programmierer zwischendurch einen eigenen Engraver für v2.13, der dies bewerkstelligen könnte?

Der ganze Krempel mit \cadenzaOn/Off etc. kann also getrost über Bord fliegen. Eine kleine Sache wäre noch die Anzeige der Fermaten über den Taktstrichen: hierzu muss in ähnlicher Weise der Mark_engraver ebenfalls vom Score- in den Staff-Context verschoben werden. Die Fermate über dem letzten Taktstrich der Klarinettenstimme wird erzwungen durch \once \override Staff.RehearsalMark #'break-visibility = #end-of-line-visible.

Die bearbeitete LY-Datei (incl. etwas Kosmetik) nebst PDF hängt dran. Hoffe, es löst dein Problem.

Viele Grüße, Robert

chf

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Re:StaffGroup und ungleiche Taktarten
« Antwort #3 am: Montag, 5. Juli 2010, 12:54 »
Zitat
polymetrische Notation ohne Synchronisation der Taktstriche

Lieber Robert,
eben diese Schlagworte wollten mir nicht einfallen. Ich wusste, dass es eine Stelle gibt...
Allerdings wäre ich mit der Umsetzung überfordert gewesen. Bei der Variante ChoirStaff war ich immerhin schon. -
Der Komponist kann leider nichts mehr dazu sagen. Er schrieb trotz Computerzeitalter noch mit Bleistift, da gab es keine solchen Probleme.
Auf alle Fälle danke ich herzlich. Nun muss ich nur noch mit dem Verleger einig werden!
(Ganz nebenbei klärt sich mir jetzt auch dies "Warnung: Typprüfung für »stencil« gescheitert; Wert »#t« muss vom Typ »unknown« sein" . - Es gibt noch viel zu tun!)
Es gibt übrigens noch mehr so "ausgefallene" Partituren...
Gruß
Christa

PS: an alle
      Die lange Fragepause zeigt, dass ihr mich schon recht gut ausgestattet habt!
 

« Letzte Änderung: Montag, 5. Juli 2010, 13:08 von chf »

RobUr

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Re:StaffGroup und ungleiche Taktarten
« Antwort #4 am: Montag, 5. Juli 2010, 14:23 »
Hallo Christa,

wenn das Stück diese Aleatorik aufweist, macht es vielleicht wenig Sinn, die Kadenzen in einem System zu notieren.

Grüße, Robert

RobUr

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Re:StaffGroup und ungleiche Taktarten
« Antwort #5 am: Montag, 5. Juli 2010, 15:49 »
Einen weiteren Ansatz gibt es noch: \scaleDurations
Es ist etwas aufwändig und erfordert viel Bruchrechnen, kommt deinem Anliegen aber sehr nah.

chf

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Re:StaffGroup und ungleiche Taktarten
« Antwort #6 am: Dienstag, 6. Juli 2010, 12:36 »
Zitat
wenn das Stück diese Aleatorik aufweist, macht es vielleicht wenig Sinn, ...
Hallo, Robert,
hast du einen Computer im Kopf? Ich bin beeindruckt!
Zur zitierten Frage habe ich mir auch schon Gedanken gemacht...
Dank und Grüße
Christa

chf

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Re:StaffGroup und ungleiche Taktarten
« Antwort #7 am: Dienstag, 20. Juli 2010, 17:56 »
Liebe Freunde,
jetzt sieht meine Partitur (auf Roberts Basis und meiner Eigenmächtigkeit dem Komponisten gegenüber) so aus (s Anh.).
Zu meinem Glück fehlt mir jetzt nur noch ein Doppelstrich am Ende der Aleatorik und eine Taktzahl bei Buchstabe F.
Ich krieg's nicht hin. Beides gibt es mit \cadenza... , aber das ist ein Rückschlag für den Notentext.
? ? ?
Gruß
Christa

RobUr

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Re:StaffGroup und ungleiche Taktarten
« Antwort #8 am: Dienstag, 20. Juli 2010, 23:43 »
Hallo Christa!

Zitat von: chf
Zu meinem Glück fehlt mir jetzt nur noch ein Doppelstrich am Ende der Aleatorik
Na ja, zuerst klaust du die Taktstriche (\override Score.BarLine #'stencil = ##f), dann musst du sie danach auch wieder zurückbringen: \revert Score.BarLine #'stencil  ;) Dann klappt’s auch mit \bar "||"

Zitat von: chf
… und eine Taktzahl bei Buchstabe F.
Wo soll Buchstabe F sein? Letztes System?
Taktzahlen werden zu Beginn eines Stückes (und das wäre das letzte System in diesem Fall) nur angezeigt, wenn sie (a) von „1“ verschieden sind (\set Score.currentBarNumber = #X) und (b) sie mit einem leeren Taktstrich (\bar "") ermöglicht werden.

Änderungen siehe Dateianhang.

Viele Grüße, Robert

chf

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Re:StaffGroup und ungleiche Taktarten
« Antwort #9 am: Mittwoch, 21. Juli 2010, 14:09 »
Danke, Robert!
In meinem Tatendrang habe ich "Staff" und "Score" durcheinandergebracht.
Nun dachte ich auch am Anfang der Aleatorik (Buchstabe E) eine Taktzahl zu setzen, aber ach... es will nicht werden.
Also nochmal, bitte...
Gruß
Christa

Es hat sich noch eine "Kleinigkeit" ergeben (s. Anh.):
Mit \grace s habe ich die Fermate am Ende von E ganz knapp neben die letzte Flötennote platzieren können. Das geht aber nur in der Partitur, nicht in der Einzelstimme (wo ich auf Anraten des Verlegers Teil E als System einfüge). Außerdem hätte ich den Abstand gern deutlicher. Versuche ich \grace sWert, gibt es Ungleichheit, bei anderen Manipulationen bekomme ich in den beiden anderen Stimmen keine Fermate.
Ich muss mich wiederholen - keine Lösung ohne Problem...
« Letzte Änderung: Mittwoch, 21. Juli 2010, 18:34 von chf »

RobUr

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Re:StaffGroup und ungleiche Taktarten
« Antwort #10 am: Donnerstag, 22. Juli 2010, 02:30 »
Hallo Christa!

Zitat von: chf
Nun dachte ich auch am Anfang der Aleatorik (Buchstabe E) eine Taktzahl zu setzen, aber ach... es will nicht werden.
Der Bar_number_engraver „lebt“ normalerweise im \Score-Context und wird durch den Timing_translator gefüttert, den wir ja dort entfernt hatten. Deshalb müssen wir den Bar_number_engraver dem \Staff-Context zuführen und die einzelnen Staves modifizieren, um den Eindruck einer normalen Taktnummerierung zu erhalten. Für alle Zeilen außer der ersten unterdrücken wir also gleich zu Beginn die Sichtbarkeit der Taktzahlen durch \override Staff.BarNumber #'break-visibility = #all-invisible (Achtung: wir sind jetzt auf Staff-Ebene und müssen deswegen diesen Context ansprechen). Für die erste Zeile tricksen wir wieder mit einem leeren/unsichtbaren Taktstrich und setzen die Taktzählung auf den gewünschten Wert. Nach dem Zeilenumbruch möchten wir aber keine weitere Taktnummerierung und unterbinden demzufolge ab hier die weitere Anzeige.

Zitat von: chf
Mit \grace s habe ich die Fermate am Ende von E ganz knapp neben die letzte Flötennote platzieren können. Das geht aber nur in der Partitur, nicht in der Einzelstimme (wo ich auf Anraten des Verlegers Teil E als System einfüge). Außerdem hätte ich den Abstand gern deutlicher. Versuche ich \grace sWert, gibt es Ungleichheit, bei anderen Manipulationen bekomme ich in den beiden anderen Stimmen keine Fermate.
Na ja, Gracenotes am Zeilen-/Systemende zeigen so gut wie keine Wirkung ;) Außerdem soll die Fermate ja schön über dem Doppelstrich thronen (eigentlich tut sie das; außer in der Flötenstimme – dort kommt das f’’’ in die Quere). Wirkungsvoller – und auch mit deutlicherem Abstand – dürfte sich ein „Achtel-Spacer“ zwischen letzter Note und Doppelstrich machen. Der Spacer (s8) muss dann aber auch in den anderen Stimmen auftauchen, und außerdem muss noch die Taktart für diesen letzten Takt um jeweils eine Achtel verlängert werden.

Für meinen Geschmack sind die Boxen um die Buchstaben recht eng; es sieht geschmeidiger aus, wenn man denen ein wenig Padding gönnt. Die Taktzahlen kleben auch immer ziemlich dicht an der Balkenklammer und erscheinen etwas „unterernährt“ – auch hier kann mit etwas Padding und größerer Schrift in fett und kursiv nachgeholfen werden. (Ich weiß, dass alles andere die Lilyvoreinstellung ist, aber diese orientiert sich nur an der Zeile. Sobald man Balkenklammern verwendet, drängeln diese sich dazwischen.) Was meinst du?

Beste Grüße, Robert

PS: Wenn dein Verleger mal etwas mehr zu verlegen hat, kannst du ihn ja gern hier zu mir in’s Forum leiten :) R.

chf

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Re:StaffGroup und ungleiche Taktarten
« Antwort #11 am: Donnerstag, 22. Juli 2010, 15:53 »
Hallo Robert,
perfekt!
Dank auch für die "Schönheitsoperationen". Die Boxen sehen so besser aus, Schriftart der Taktzahlen ist eher Geschmackssache (?). Größe und Platzierung hatte ich im Beispiel einfach Lily überlassen. - 
Vorläufig habe ich weiter keine Fragen.
Deinen letzten Satz werde ich bedenken.
Beste Grüße
Christa
« Letzte Änderung: Donnerstag, 22. Juli 2010, 16:20 von chf »

chf

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Re:StaffGroup und ungleiche Taktarten
« Antwort #12 am: Dienstag, 3. August 2010, 11:35 »
Zitat
[/quoteVorläufig habe ich weiter keine Fragen.]
Ja, liebe Freunde,
s e h r   vorläufig...

Eben habe ich das Forum durchforscht nach Beiträgen zu "indent".
Da steht viel, aber nicht, was mir Probleme macht.
Die Partitur (s. Schnipsel) steht. nun löse ich die Stimmen heraus, und
Ich hätte gerne jeden Satzanfang (es sind sechs) eingerückt. Sage ich das in \paper,
geschieht das auch bei der Weiterführung der Stimme nach dem System E.
Wie kann ich das verhindern,  o h n e  die anderen Einrückungen auch einzubüßen?
Vermutlich ist es so einfach, dass ichs nicht erfasse...
Bitte helft in bewährter Weise.
Gruß chf

Pardon - jetzt habe ich wohl endlich mein Schnipsel in Ordnung gebracht
« Letzte Änderung: Dienstag, 3. August 2010, 17:33 von chf »

RobUr

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Re:StaffGroup und ungleiche Taktarten
« Antwort #13 am: Mittwoch, 4. August 2010, 08:45 »
Hallo Christa!

Zitat von: chf
Wie kann ich das verhindern,  o h n e  die anderen Einrückungen auch einzubüßen?
Indem du die entsprechenden Parts in eigene \score-Blöcke packst und und indent dort auf 0 setzt.

Warum machst du denn die Taktstriche so dünn?

Viele Grüße, Robert

chf

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Re:StaffGroup und ungleiche Taktarten
« Antwort #14 am: Mittwoch, 4. August 2010, 16:13 »
Danke, Robert!
Es konnte nur eine Kleinigkeit sein.
Ich hatte \score immer falsch platziert.

Die dünnen Taktstriche? - Auch Geschmackssache. Vor allem in Partituren fühlte ich mich immer so erschlagen von den "normalen". Da ich keine Rüge vom Verleger gefangen habe, bin ich bei meiner Variante geblieben.

Gruß
Christa