Autor Thema: Automatische Liedtext-Linksbündigkeit bei Melismen auf mittig umschaltbar?  (Gelesen 3502 mal)

Matti

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Hallo allerseits!

Hab mich weiter in LilyPond hineingewurschtelt, komme aber mit der IR noch nicht so gut klar. Oder ich suche dort nach dem Falschen...  ::)

Hat jemand einen heißen Tip für mich, ob und wenn ja wie ich die automatische Linksbündigkeit von untereinanderstehenden Silben zu Beginn eines Melismas abschalten kann?

Meine vermutlich unnötig umständlichen Versuche siehe Anhang.


comper

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Re:Automatische Liedtext-Linksbündigkeit bei Melismen auf mittig umschaltbar?
« Antwort #1 am: Freitag, 15. Januar 2010, 11:02 »
Folgendes stellt das erste Beispiel um:
\layout { \context { \Score lyricMelismaAlignment = #CENTER } }

Gruss

RobUr

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Re:Automatische Liedtext-Linksbündigkeit bei Melismen auf mittig umschaltbar?
« Antwort #2 am: Freitag, 15. Januar 2010, 11:35 »
Hallo Matti,

es handelt sich um ein Feature, das den gängigen Satzregeln entspricht. Ich würde das nicht ändern, zumal Lily sich hierin professionell von den kommerziellen Programmen abhebt. In deiner Beispieldatei sieht es gar nicht gut aus, wenn eine lange Silbe unter die links daneben stehende Note ragt (Lily ignoriert bei \skip die horizontale Ausdehnung der Silbe).

ignoreMelismata dient ja gerade dazu, gebundene Noten zu ignorieren, wenn zusätzliche Silben innerhalb der Bindung untergebracht werden sollen.

Partiturweite Abhilfe siehe Antwort von comper.

Andererseits kannst du fallweise die Selbstausrichtung von Silben beeinflussen:
[\once] \override LyricText #'self-alignment-X = #[LEFT|CENTER|RIGHT]
Dies funktioniert aber nicht bei bereits linksbündig ausgerichteten Silben. Hierfür
[\once] \set lyricMelismaAlignment = #[LEFT|RIGHT] ... [\unset lyricMelismaAlignment]
verwenden.

Bitte auch die unterschiedliche Wirkung von "\skip" und "_" beachten! Mehrere \skip kannst du zusammenfassen:
\repeat unfold [Anzahl] { \skip 4 }

Grüße, Robert

Matti

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Danke!!
« Antwort #3 am: Freitag, 15. Januar 2010, 12:26 »
Guten Morgen!

Einige Stellen in einem Lied mit vielen Strophen nebst polyphon als Stichnoten gesetzten rhythmischen Varianten, Lyric Ties, usw. schauen jetzt weniger mißverständlich aus; das Setzten des lyricMelismaAlignment war das, was gefehlt hatte. Dankeschön!!!  :D

(Brauche die Abweichung vom Üblichen natürlich nicht überall. Sorry, daß meine Beispiel-Datei so verallgemeinernd war; die Originalstelle war aber noch nicht vorzeigbar, weil ich parallel auch noch ...ähm... auf der \melisma-Baustelle zugange war.  ::) )

Ein schönes Wochenende
wünscht
Andreas
« Letzte Änderung: Freitag, 15. Januar 2010, 12:28 von Matti »

Matti

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Re:Automatische Liedtext-Linksbündigkeit bei Melismen auf mittig umschaltbar?
« Antwort #4 am: Freitag, 15. Januar 2010, 14:32 »
Ähm... ab wieviel Fragen pro Tag muß man bezahlen?  ::) Hab mein erstes Meisterwerk nun fast ganz fertig. :D Es fehlt nur noch ein winziges Detail, und weil es ebenfalls mit Textsilben zu tun hat, schreib ich meine Frage mal hier unter das andere Thema drunter.

{ was~ich }

erstellt prima zwei Silben unter eine Note.

{ im~mer }

tut das auch, doch es fehlt ein Bindestrich zwischen den beiden auseinandergerückten Silben.

{ im-~-mer } schien mir zunächst eine Lösung zu sein, doch es sah merkwürdig aus. Denn eigentlich braucht man auf die Entfernung ja gar keine zwei Bindestriche. Eigentlich braucht man überhaupt keine Entfernung zwischen den Silben.

Mit einem schlichten { immer } bin ich jedoch auch etwas unglücklich gewesen; denn beim Notenlesen fehlt dann jegliche Lesehilfe ("Sing' zwei Silben auf eine Note!").

Dann schaute ich mal in meine Chorbücher und fand für solche Fälle, z.B. beim Möselerverlag (deren Chorausgaben ich sehr schätze), stets eine andere Schreibweise, die offenbar sehr gängig ist, nämlich einen dem kompletten Wort unterlegten Bogen, also beim Wort { immer } vom "i" bis zum "r". Das ist sicherlich etwas anderes als das Lyric-Tie-Zeichen. Bin dann in Forum, Handbuch und Referenzen nicht weiter fündig geworden. Oder hab Tomaten auf den Augen, weil ich nach dem Falschen suche. Gibt es für solche Bögen unter Liedtexten einen Befehl?

Viele Grüße
Andreas

RobUr

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Re:Automatische Liedtext-Linksbündigkeit bei Melismen auf mittig umschaltbar?
« Antwort #5 am: Freitag, 15. Januar 2010, 16:47 »
Hallo Andreas,

mit Verlaub: da sträubt sich mein Sängerauge. Zwei Silben unter einer Note wird auf Unverständnis stoßen. Was spricht denn gegen die Standardpraxis, die in der NR 2.1.4 Divisi Lyrics beschrieben ist? Es ist wirklich die beste. Ein "LyricTie" ist doch dazu gedacht, zwei oder mehrere Wörter bzw. Silben, die phonetisch verschmelzen, unter eine gemeinsame Note zu platzieren. Also neben den fremdsprachigen Beispielen z.B. auch ein bekanntes deutsches "’s~ist der Va -- ter mit sei -- nem Kind". Es ist schon schwierig genug, Choristen die (einsilbige) Aussprache von "pray(e)r" oder "sp(i)rit" zu erläutern.

Ich habe auch nichts entsprechendes finden können (zudem streikt gerade das LSR), weswegen du dir mit folgender Krücke behelfen müsstest, wenn’s denn unbedingt sein soll (kein Bogen, dafür angewinkelte "Klammerecken"):
\relative c' { c2 d }
\addlyrics { \markup {
\combine
% unterstreiche Silbe
\underline "immer"
\combine
% verschiebe linke Ecke
\translate #'(0 . -0.2)
% zeichne linke Ecke
\draw-line #'(-0.3 . 0.3)
% verschiebe rechte Ecke
\translate #'(7.5 . -0.2)
% zeichne linke Ecke
\draw-line #'(0.3 . 0.3) }
schlecht }

Das Beispiel benutzt die Unterstreichenfunktion und bastelt links und rechts je eine kurze vertikale Linie dran. Die Position der rechten Ecke müsstest du je Silbe anpassen: \translate #'(<x> . <y>)

Eine weitere Möglichkeit wäre Markup mit \hbracket { Silbe }. Das produziert aber unter und über der Silbe horizontale abgewinkelte Linien (ist ja auch logisch bei "bracket").

Wie gesagt: die "Lesehilfe" ist doch singe diese Silbe auf diese Note bzw. singe diese Silbe über mehrere Noten und hat dazu Leerzeichen, Bindestriche und Verlängerungslinien. Wir sollten diese Konventionen nicht dauerhaft umkrempeln.

Grüße, Robert

Matti

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lyric slur :-)
« Antwort #6 am: Samstag, 16. Januar 2010, 01:59 »
Hallo Robert,

danke für die Mühe, die Du Dir gemacht hast. Ich probier' die beiden sog. Krücken morgen mal aus. Bin allerdings recht sicher, daß mein Auge nach runden Bögen verlangen wird. Aber schau'n wir mal. Werd' wahrscheinlich in den berühmten Apfel beißen und die beiden Rhythmen zweistimmig notieren. Eckige Klammern wären sehr ungewöhnlich.

Ich mag nämlich selber auch eher das Konventionelle. Drei spontane Fundstücke (Möseler & Diesterweg) siehe Anhang. Hab schon sehr oft mit solchen Noten gearbeitet. In der Regel taucht es in Strophenliedern mit unterschiedlichen Silbenmengen in verschiedenen Strophen auf. Allerdings, soweit ich mich jetzt erinnere, nur bei deutschen Verlagen. Und bei Bärenreiter z. B. konnte ich es eben auf die schnelle gar nicht finden.

Konvention: ZWEI Silben in dem EINEN notierten Notenwert unterbringen, indem man eine Viertel als zwei Achtel bzw. eine Halbe als zwei Viertel musiziert. So hab ich das früher mal im Schulchor gelernt. (Dort haben wir "ars musica", "Lose Blätter" & Co. rauf und runter gesungen.)

Aber auch anderes kommt vor, wie etwa bei "Maria durch ein Dornwald ging", dritte Strophe, "Da haben die": Aus punktierter Viertel wird Viertel plus Achtel. Sowas würd' ich persönlich dann nicht mehr ohne Aufnahme ins Notensystem schreiben wollen, denn wer das Lied nicht eh schon kennt, müßte raten, was gemeint ist.

Viele Grüße
Andreas
« Letzte Änderung: Samstag, 16. Januar 2010, 02:18 von Matti »

stargazer

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Re:Automatische Liedtext-Linksbündigkeit bei Melismen auf mittig umschaltbar?
« Antwort #7 am: Samstag, 16. Januar 2010, 07:10 »
... beim Möselerverlag (deren Chorausgaben ich sehr schätze)
Das magst du auch tun -aber eher für ihre Leistung das von dir geschätzte Liedgut herauszugeben. ;D

Verstehe mich nicht falsch, aber vom Notenbild sind sie sicherlich kein absoluter Maßstab (ähnliches muss ich auch bei vielen christlichen Notenbuchverlagen feststellen).

Wenn z.B. Möseler (wie in deinem Beispiel sichtbar) die Vorzeichen über den Noten notiert, grundsätzlich keine Taktzahlen am Anfang der Zeile platziert, so darf man durchaus das Recht ableiten, einiges besser machen zu dürfen und zu wollen.

Ich beobachte immer wieder, dass ein Chorleiter oder Dirigent leichter, schneller (d.h. ohne Rückfragen) kommuniziert, wenn er Taktnummern nennen kann. Ich habe kein Verständnis dafür, wenn Verlage keine Taktzahlen setzen! Ich habe auch kein Verständnis dafür, wenn Verlage in einem neuen Takt unnötige Auflösungen notieren - es ist wie im Schilderwald, redundante Hinweise dienen nicht zur Deutlichkeit.

In diesem Sinne darfst du auch selber beurteilen, welche Hilfe ein solcher Bogen unter dem Silbencluster bietet. Welche Alternativen existieren hier, etwas anderes zu singen? Wenn es keine anderen Interpretationsalternativen gibt, dann sind solche Angaben Ballast und können entfallen.

Beim Einstieg in Lilypond ist man geneigt, ein vorliegendes Notenbild 1:1 in Lilypond abzubilden - auch ich bin mit diesem Anspruch angetreten. Wenn man die vorliegenden jedoch Muster kritisch betrachtet, kommt man zum Schluss, dass man auch andere Maßstäbe gelten lassen sollte  ;D

Viele Grüße
Dieter   

Matti

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Re:Automatische Liedtext-Linksbündigkeit bei Melismen auf mittig umschaltbar?
« Antwort #8 am: Samstag, 16. Januar 2010, 13:10 »
Hallo Dieter!

Danke für Dein Feedback!!

Stimmt, fehlende Taktzahlen nerven. Und auch das mit den Vorzeichen in den angegebenen Beispielen ist unangenehm. Herr Distler hätte ruhig ein paar Kreuze vorzeichnen können - das ist wirklich ein unnötiger Schilderwald. Und bei Versetzungszeichen, die in Klammern und/oder ÜBER Noten stehen, muß man erstmal genau hinschauen und interpretieren, ob es dort ums Erinnern geht oder gar um eine Wahlmöglichkeit. ??? Das kann in der Tat nerven.

Indes, auf Erinnerungsversetzungszeichen generell verzichten würd' ich ungern, und ich kenn' auch keinen Verlag, der ganz auf sie verzichtet. Aber vielleicht hab ich Dein Meinung hierüber nicht richtig verstanden. (?) Ich persönlich find' ja Dinge, die das Lesen unterstützen, eigentlich nicht so ganz verkehrt. Um wieviel schwieriger wäre das Ad-hoc-Lesen bei Fortlassen alles streng genommen Redundanten... Hab' hier beispielsweise ein Liederbuch aus den 20ern oder 30ern im Regal, wo auf die Wiederholung der Schlüssel- und Vorzeichenangabe ab der zweiten Akkolade bis zum Ende verzichtet wird! Zum Glück hat sich diese Modeerscheinung nicht durchgesetzt ...

Das mit den „Textbögen“ ist eine nicht sehr geläufige Sache. Aber es gibt sie, und sie scheinen mir ein klein wenig mehr zu sein als eine Eintagsfliege. Die Variante mit voiceOne/voiceTwo hingegen springt zunächst als vermeintliche Polyphonie ins Auge, deswegen hatte ich mich dagegen gesträubt. Ich werd's aber nachher auch nochmal mit voiceOne und voiceThree für eine gleiche Halsrichtung und verschiedenen Notengrößen (groß passend für die 1. Strophe; klein für die später vorkommende rhythmische Variante) versuchen. Und klar, man kann das "Silbencluster" (schönes Wort) auch kommentarlos einfach drunterschreiben. Ich glaube nur, daß das Chorsängergehirn dann beim spontanen Lesen ein gewisses Maß mehr gefordert ist. So wie wenn es Takte abzählen muß. Ich finde diese Ansprüche ein kleines bißchen vergleichbar.

Beste Grüße!
 :D
Andreas